|  | Der Trail (Kapitel 27)
 In dem Ort wo wir unseren ersten Stall hatten, gab es einen Country und Western Club. Viele nette Menschen gaben sich dort ein Stelldichein 
                            und ihrem Hobby hin. Auch ich war Mitglied.Hand vom Zügel zu nehmen, wagte ich nicht.Vom einfachen Cowboy über Trapper und Indianer bis zum Colonel der US Kavallerie war so ziemlich alles vertreten.
 Damit der Alltag am Wochenende auch ganz vergessen 
                            werden konnte, hatte jedes Mitglied einen Vereinsnamen. So tauchten dann 'Jesse' und 'Lassiter', 'Horror-Herb' und 'Calamity-Kate', 'Crissie' und 'Mississippi', 'Smoky' und 'Virginia' und viele andere, jedes Wochenende 
                            in eine fantastische Welt. Den größten Spaß bereitete die Ernsthaftigkeit mit der die ganze Sache angegangen wurde. Niemand spielte einen Cowboy oder Trapper - man war es!
 Da zog der Herr Regierungsdirektor am 
                            Samstag seine Levi´s an und stand gestiefelt und gespornt neben dem Bauhelfer an der Theke des Saloons, und unterhielt sich bei einem Glas Whiskey über die sinnvollste Breite einer Hutkrempe für den Viehtrieb nach 
                            Oklahoma, während seine Gattin mit Queeny über den besten Kompromiß bei der Länge eines Rockes, während des Aufsteigens auf einen Planwagen und der notwendigen Sittsamkeit beim Gottesdienst, sowie über die Zutaten zum 
                            heutigen Eintopf sprach.
 Viele der Cowboys und -girls die ihrem Hobby frönten, lernten bei uns reiten um ihrem Tun den letzten realistischen Touch zu geben.
 Um den Club in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, 
                            beschlossen wir einen Ausritt ins Nachbardorf. Stilecht gekleidet - auch die Waffen fehlten nicht - bestiegen wir unsere Pferde und zogen los.
 Horror-Herb, unser Senior im Verein, ritt Sebastian. Rubber-Duck kam auf 
                            Halla zu sitzen; ich nahm - wie meistens - Florian, der mir damals schon sehr ans Herz gewachsen war. Ellys Pferd war natürlich ihre Rappstute Biana, die sonst niemanden auf sich ließ.
 Der Weg führte zuerst steil 
                            bergauf durch einen Hangwald. Wir ließen die Pferde im Schritt warm werden. Die Augustsonne schien durch die Lücken des Laubdaches und zauberte herrliche Lichteffekte auf den Waldboden. Rechts neben dem Weg plätscherte 
                            ein kleiner Bach lustig talwärts. Der Hang wurde flacher und wir näherten uns dem Rand der Steigung im leichten Trab.
 Ich führte die Gruppe an, was aber mehr an Florian lag als an mir, da er immer die Nase vorne 
                            haben musste. Hinter mir sah ich beim Umblicken Horror-Herb, danach kam Rubber-Duck und Elly bildete die Nachhut. Herb hielt sich stilecht aufrecht im Sattel. Ganz wie ein Cowboy, der seinem Pferd völlig vertraut, ließ 
                            er die Zügel locker vor der Brust baumeln und verließ sich auf Sebastians Trittsicherheit. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig, da er extrem kurzsichtig war und den Boden aus der Höhe seines Sitzes sowieso nicht 
                            erkennen konnte.
 Rubber-Duck, der immer wie ein Bankangestellter des Mittelwestens gekleidet war, saß auch so im Sattel! Welche Figur ich machte, kann ich nicht beschreiben, da ich mich nicht aus der Entfernung sehen 
                            konnte - aber immer wenn ich beim Umdrehen einen Blick von Elly erhaschte, lächelte sie; manchmal lachte sie auch freundlich! Elly hatte wohl den meisten Spaß an unserem Ausritt.
 Auf der Höhe des Berges lichtete sich 
                            der Wald. Wir ritten zwischen abgeernteten Kornfeldern und Wiesen, ließen den Pferden Zügel und galoppierten über die Äcker. Florian hatte immer ein Ohr nach hinten gerichtet. Sobald er hörte, dass ein nachfolgendes 
                            Pferd näher kam wurde er länger. Auf diese Weise steigerten wir all-mählich unser Tempo zum gestreckten Galopp.
 Der Wind pfiff mir um die Ohren und bog meine Hutkrempe nach unten. So konnte ich nichts mehr sehen und 
                            musste mich immer öfter umdrehen, damit die Krempe wieder nach oben ging. Eine
 Als ich mich wieder einmal umwandte, sah ich Halla aus der Gruppe ausscheren und mit Rubber-Duck in einem Maisfeld verschwinden. 
                            Nur sein Hut war noch über den hohen Maisstauden zu sehen. Ich zügelte Florian und wendete. Ducks Hut zog derweil Kreise im Maisfeld. Elly und Herb hatten auch angehalten und so standen wir drei vor dem Feld und lachten.
 Ducks Geschrei wurde lauter, sein Hut langsamer. Als er schließlich zum Stillstand kam, hob er sich etwas und Duck schaute sich in den Steigbügeln stehend um.
 "Was gibt´s denn da zu lachen?" rief er und 
                            grinste, "Bremsen wollte sie nicht, da hab ich sie halt umgeleitet!"
 Er nahm seinen Hut und schwenkte ihn über dem Kopf.
 "Haha!" machte er, und Halla einen Satz! Zuerst verschwand Rubber-Duck 
                            im Mais, dann sein Arm und schließlich konnten wir auch seinen Hut nicht mehr sehen. Dafür sahen wir Halla, das heißt, die Spur die sie ins Feld pflügte, auf uns zukommen. Links von uns brach sie aus den Stauden hervor 
                            und ging im Galopp über den Weg.
 Manchmal sollte man wirklich besser überlegen, was man tut - aber ich bin für schnelles Handeln bekannt! Ich nahm Florian auf der Hinterhand herum und verfolgte Halla. Ich hatte nur 
                            zwei Dinge nicht bedacht: erstens wollte Florian immer und zu jeder Zeit Erster sein - und zweitens reichten meine Reitkünste für dererlei waghalsige Aktionen bei weitem nicht aus!
 Nach wenigen Sekunden hatte ich 
                            Halla eingeholt, dirigierte Florian neben sie und wollte nach ihren Zügeln greifen. Doch Florian dachte gar nicht daran sein Tempo zu verringern und an Hallas anzupassen. Blitzschnell waren wir an Halla vorüber und 
                            brausten durch die Prärie!
 Ich nahm die Zügel so kurz ich konnte und versuchte mein Gewicht nach hinten zu verlagern.
 "Hoooh!" rief ich, "Hoohhooo!"
 Florian galoppierte munter weiter! Es 
                            schien ihm Spaß zu machen. Das Ende des Feldweges kam immer näher. Dahinter ging es zwei Meter tief eine Böschung hinab.
 "Hooh, Florian...., Hooohh!"
 Florian wurde immer länger. In meiner Verzweiflung 
                            zog ich die Zügel zurück, bis sich sein Hals bog und seine Nüstern fast seine Brust berührten. Er schnaubte und schüttelte den Kopf - langsamer wurde er nicht. Da schossen mir Ducks Worte durch den Kopf. Mit aller Kraft 
                            leitete ich also Florian um!
 Rechts von uns lag ein abgeernteter Acker. Florian war es egal. Hauptsache er konnte rennen! Anscheinend war der Acker jedoch zu kurz. Schon kam das Ende in Sicht; dahinter noch ein 
                            Maisfeld! Rechtskurve und weiter!
 Mein Hut wurde mir vom Kopf geblasen. In der Breite war der Acker noch kürzer. Rechts herum und weiter! Wir näherten uns wieder dem Feldweg. Und der Böschung. Nochmals rechts um! 
                            Jetzt wurde mir doch etwas mulmig, sollte das denn nie enden? Florian rannte als ginge es um sein Leben. Ich zitterte um meines!
 Endlich - endlich spürte ich wie er langsamer wurde.
 "Hoo!" rief ich und bracht ihn zum Stillstand. Brav stand er da und tat als sei nichts gewesen!
 Im Schritt gingen wir zu den anderen, die sich am Rand des Feldes versammelt hatten. Elly hatte Halla 
                            inzwischen eingefangen und Duck saß schon wieder drauf, und grinste wie üblich. Herb ein echter Offizier und Gentleman zeigte keine Regung. Er tat als hätte er nichts gesehen. Vielleicht hatte er auch nicht.
 Ich 
                            stieg ab, gab Elly die Zügel und ging um meinen Hut zu holen. Es war ein ganz schöner Weg. Vorhin war mir der Acker sehr viel kleiner vorgekommen. Ich setzte den Hut auf, kehrte zur Gruppe zurück und schwang mich in den 
                            Sattel.
 "Das war ja eine richtige Stampede, Waco!" meinte Rubber-Duck und entsprechend des alten Western-brauches, Orte nach den Geschehnissen die auf ihnen passierten zu benennen, hatte der Platz seinen 
                            Namen weg: 'Wacos-Stampede'.
 Horror-Herb sagte, er werde die Eintragung in die Vereinslandkarte, nach unserer Rückkehr unverzüglich vornehmen.
 Im Schritt ging es nun auf einem Feldweg weiter auf unser Ziel zu. Um 
                            ein neuerliches 'Umleiten' Hallas zu vermeiden, hatten wir die Reihenfolge etwas geändert. Sie ging jetzt hinter Florian und vor Sebastian. Biana machte den Schluß. Nach etwa einer Viertelstunde hatten wir unser Ziel in 
                            Sichtweite. Wir konnten schon die Autos unserer Vereinskameraden auf dem Parkplatz der Gastwirtschaft erkennen, die wir besuchen wollten.
 Vielleicht war es die Vorfreude auf ein kühles Getränk oder die Erleichterung 
                            über das absehbare Ende des Rittes, die unsere Aufmerksamkeit etwas nachlassen ließ, jedenfalls lief Sebastian von hinten auf Halla auf! Halla begann nervös zu tänzeln. Duck reagierte blitzschnell und routiniert! Er 
                            nahm die Füße aus den Steigbügeln, ließ die Zügel los und machte sich rund. Halla bockte nur einmal - es sah aus als wäre Duck freiwillig gesprungen! (Was er hinterher aber immer leugnete.)
 Immerhin ging es an dieser 
                            Seite des Weges fast anderthalb Meter tief in einen nassen Graben hinab. Er landete auf dem Bauch an der Böschung, seine Beine hingen bis zu den Knien im Wasser.
 "Uff!" machte er und stemmte sich in die 
                            Höhe. Er tastete nach seinem Hut, der auf dem Kopf geblieben war, fuhr mit beiden Händen die Umrisse seines Körpers nach und grinste: "Alles noch dran!"
 Als er aus dem Graben stieg und auf Halla zuging, die 
                            von Elly gehalten worden war, quietschte das Wasser in seinen Stiefeln. Er blieb stehen, bückte sich und zog den rechten Stiefel aus. Ein Schwall Wasser ergoss sich auf den Weg. Den linken hatte er halb vom Fuß, da 
                            zögerte er.
 "Da ist was drin! Da hat sich was bewegt!" sagte er und machte ein skeptisches Gesicht. Vorsichtig setzte er sich auf den Boden und versuchte den Stiefel ganz auszuziehen.
 "Vielleicht hast Du einen Fisch gefangen!" frotzelte Herb.
 "Oder eine Ringelnatter!" setzte ich eins drauf. "Ich hab Dir schon immer gesagt, die Hosenbeine gehören über die Stiefel."
 Duck werkelte weiter an seiner Fußbekleidung, und Stück für Stück bekam er den Stiefel ab. Er hielt ihn mit beiden Händen auf Armeslänge vor sein Gesicht, und neigte ihn langsam zu sich hin, um hinein zu sehen.
 "Waahh!" rief Elly und Duck warf den Stiefel weg! (Duck hatte auch Angst vor kleinen Hunden.) Der Stiefel lag etwa zwei Meter vor Duck, flach auf dem Boden. Das Wasser war heraus gelaufen. Mitten in der 
                            kleinen Pfütze saß ein gelbgrünes Tier, das große Ähnlichkeit mit einem Frosch hatte. Wahrscheinlich war es einer.
 "Quaaak!" sagte es und sprang Richtung Graben.
 "So ein Quark!" rief Duck im allgemeinen Gelächter und zog seine Stiefel wieder an.
 Während des restlichen Weges, den wir ohne weitere Zwischenfälle hinter uns brachten, berieten wir über den Namen, den 
                            dieser Ort erhalten sollte. Schließlich einigten wir uns auf 'Ducks-Flat-Landing' - wegen der unnach-ahmlichen Eleganz seiner Bauchlandung.
 Gutgelaunt erreichten wir die Gaststätte, wo wir mit großem Hallo empfangen 
                            wurden. Schon beim Versorgen der Pferde wurden wir mit Fragen bestürmt und mussten berichten. Später, beim gemütlichen Teil des Treffens, beschlossen wir, in Zukunft noch mehr solche Aktionen zu unternehmen, um die 
                            weißen Flecken auf unserer Landkarte bald zu füllen.
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