|
Im Sommer 1992 brachten meine Eltern mich (damals 12) und eine Freundin (mit der ich mehrere Reiterferien
verbracht habe) zum Mariannenhof in Westerstede. Der Hof gefiel uns schon von der Zufahrtstraße aus sehr gut, man konnte viele Pferde in hellen Außenboxen sehen, die ihre Köpfe über die halbgeöffneten
Boxentüren streckten und neugierig ihre Umgebung betrachteten. Insgesamt machte der Hof auf den ersten Blick einen gemütlichen, gepflegten Eindruck auf mich. Auch das Wohnhaus sah ganz nett aus.
Wir wurden im Büro empfangen und konnten erstmal unsere Koffer in die Sattelkammer stellen. Die Betreuerin sagte uns, daß wir uns den Hof noch in Ruhe anschauen könnten, bis zur Zimmerverteilung
würde es noch etwas dauern. Wir gingen also mit meinen Eltern das gesamte Hofgelände ab, liefen durch alle Ställe und betrachteten die Weiden. Dann verabschiedeten sich
meine Eltern. Naja, und dann standen wir erstmal etwas alleine herum. Keine Betreuerin war zu sehen, und deshalb gingen wir erstmal wieder in den Pferdestall.
Plötzlich stürmte eine Gruppe von Ferienkindern, die schon ein paar Tage auf dem Mariannenhof war, herein, schnappte sich mehrere Pferde und Ponies aus den Boxen und verschwand wieder nach draußen. Wir hatten erstaunt
zugesehen und irgendwie hatte uns niemand beachtet. Wir waren etwas ratlos, weil scheinbar alle wußten, was sie zu tun hatten, außer wir. Wir sahen auch kaum irgendwelche "neuen"
Ferienkinder, wie wir welche waren. In diesem Moment fühlten meine Freundinund ich uns etwas verunsichert und auch allein gelassen. Wir gingen nach draußen auf das Hofgelände, und dort
trafen wir endlich drei Mädchen in unserem Alter, die auch neu auf dem Hof waren. Wir unterhielten uns mit ihnen und stellten schnell fest, daß wir uns sympathisch waren. Die drei Mädchen waren zwar fast zwei Jahre älter als wir, aber das störte
niemanden. Das eine Mädchen, Carla, erzählte uns, daß sie schon mal auf dem Mariannenhof war und daß man sich dort am allerersten Nachmittag immer etwas komisch fühlt, weil die ganzen Betreuerinnen sich um ziemlich
viele andere Dinge kümmern müßten. Aber spätestens nach 2 Tagen würden wir den Hof supertoll finden. Naja, so ganz waren wir noch nicht davon überzeugt. Wir unterhielten uns weiter mit den drei Mädchen
und lernten schließlich noch ein weiteres Mädchen kennen, das ganz nett war. Wir beschlossen, zusammen ein 6er-Zimmer zu nehmen, wenn die Zimmer verteilt würden. Nach und nach kamen
immer mehr neue Ferienkinder auf dem Hof an. Jetzt kam richtig "Leben in die Bude". Irgendwann erschienen ein paar Betreuerinnen auf dem Hofgelände und riefen alle neuen Ferienkinder im
Stall zusammen. Dort wurden die Zimmer verteilt. Wir hatten Glück und bekamen ein großes 6er-Zimmer direkt über der Sattelkammer. Das Zimmer hatte drei Etagenbetten und war so groß,
daß auch noch eine gemütliche Couchgarnitur und mehrere Wandschränke darin standen. Wir schleppten unsere Koffer die Treppe hoch, zogen Reitklamotten an und trafen uns mit allen
neuen Ferienkindern an der großen Reithalle, wie die Betreuerinnen es uns vorher gesagt hatten. Nun mußten sich erstmal die absoluten Reitanfänger bei einer Betreuerin melden, die ihre Namen auf eine Liste schrieb und daraufhin die Pflegepferde bzw. -ponies an
sie verteilte. Die übrigen Ferienkinder, die schon etwas oder gut reiten konnten, durften nun auf 5 Ponies in der Halle ihre Reitkünste vorführen. Das heißt, daß jeweils 5
Kinder in einer Art Abteilung etwa 10 Minuten lang im Schritt und Trab verschiedene Reitbahnfiguren nach Kommando einer der Betreuerinnen reiten sollten. Die
Ponies wurden ohne Sattel geritten. Da ich dies jedoch aus anderen Reiterferien schon kannte, machte mir das keine Probleme.
Dummerweise hatte ich fürs Vorreiten ein Pony erwischt, das einen furchtbar harten Trab hatte. Ich hatte echt Mühe, den Trab irgendwie auszusitzen und hatte das Gefühl, wie ein blutiger Anfänger zu wirken.
Während des Vorreitens beobachteten die Betreuerinnen uns sehr genau, unterhielten sich, zeigten manchmal auf uns und nannten dabei einen Pferdenamen, worüber sie dann wieder
diskutierten. Schließlich wurden wir einzeln nach unserem Namen gefragt und auf eine Liste aufgeschrieben. Dahinter schrieben sie dann den Namen unseres zukünftigen Pflegeponies oder
-pferdes, der uns auch sofort genannt wurde. Demnach hieß mein Pflegepony "Sarah". Als alle Ferienkinder vorgeritten hatten, wurde jedem Kind nochmal der Name seines Pflegeponies
genannt. Ich bin mir nicht 100%ig sicher, aber ich glaube, danach sind die Betreuerinnen mit uns zu den Weiden oder in die Ställe gegangen und haben uns unser Pflegepony oder -pferd gezeigt.
Meine Sarah war eine Fliegenschimmelstute mit einem braunen Fleck an der Kehle. Sie hatte genau die richtige Größe für mich und war ein ziemlich großes Pony, fast schon ein Kleinpferd.
Sarah lebte nicht im Stall, sondern auf der Weide. Meine Freundin hatte ein richtiges Großpferd (Lucy) zugeteilt bekommen, daß auf einer Außenweide lebte. Sie mußte erst ca. 10 Minuten zu
Fuß zu dieser Weide laufen, um ihr Pferd mit den anderen Ferienkindern zu besichtigen, da hatte ich es schon besser getroffen. Ich glaube, der Nachmittag war mit der ganzen Reiterei und
Besichtigung fast schon vorbei und wir gingen nur noch zum Abendessen und packten dann unsere Koffer aus. Nun muß ich den Hof zum besseren Verständnis erst einmal beschreiben: es gibt auf dem Mariannenhof eine große und eine kleine Reithalle, ein großes und ein
kleines Dressurviereck und eine L-förmige "Rennbahn". Das ist ein breiter, langer, ebener Sandweg in der Form eines krummen "L". Dort durfte man, wenn man mit
seinem Pferd vertraut war, im Jagdgalopp entlangpreschen. Aber mehr dazu später. Der Tagesablauf auf dem Mariannenhof sah damals etwa so aus: Aufstehen, Anziehen, Frühstück; Pflegepferd aus
dem Stall oder von der Weide holen; Pferd putzen, auftrensen und evtl. satteln (die Großpferde hatten Sättel, alle anderen nicht); ca. 1 Stunde Reitunterricht nach Anfängern/Fortgeschrittenen und Pferden/Ponies
getrennt; anschließend freies Reiten. Pferde zurück auf die Weide oder in den Stall bringen; Mittagessen, Pause bis 15 Uhr. Um 15 Uhr Pferde und Ponies wieder von der Weide oder aus dem Stall holen, bis ca.
18 Uhr "machen, was man will" (also striegeln, freies Reiten, mit dem Pferd auf dem Hofgelände spazieren gehen, Rennbahn entlangjagen oder, oder, oder...). Ausgeritten wurde aber leider nicht.
Ich stellte schon beim ersten Reiten fest, daß Sarah einen superweichen Trab hatte (Gott sei Dank) und daß sie außerordentlich lieb und gutmütig war. Sie hatte jedoch eine Macke: Man
durfte sie nicht anbinden. Sie blieb aber immer seelenruhig dort stehen, wo man sie "abstellte". Sarah und ich wurden ein echt gutes Team.
Einmal als ich sie putzte, biß sie mich jedoch in den Arm. Ich hatte überhaupt nichts getan, aber vielleicht hatte ich ihr ja versehentlich wehgetan. An der Stelle bekam ich einen ganz schönen
blauen Fleck. Ansonsten war sie aber ein richtig braves Lämmchen, das immer brav auf alle Hilfen reagierte und sich überall anfassen ließ und nie auf dumme Gedanken kam. Der Mariannenhof
bot uns Ferienkindern viel Abwechslung: einmal, als es besonders heiß war, durften wir in Badeanzügen durch die Halle reiten. Dann wurde eine Sprinklernlage oben an der Hallendecke
angemacht, und wir konnten durch die kühlen Wassertropfen reiten, bis wir und die Ponies klatschnass waren. Ein anderes Mal wurde eine Hofralley veranstaltet. Wir teilten uns in Gruppen
auf und mußten verschiedene Aufgaben lösen, z.B. ein Lied über den Mariannenhof mit der Melodie von "Alle meine Entchen" dichten. Bei der Rallye belegte meine Gruppe Platz 4 (von 7).
An einem anderen Nachmittag wurde ein Putzwettbewerb veranstaltet. Leider gewann ich mit Sarah keinen Preis (als Preis gab es z.B. Halfter, Striegel, Gerten...). Es wurde auch ein kleines
Turnier veranstaltet, bei dem ich mit Sarah aber nicht teilnahm, weil ich sie lieber frei reiten wollte. Ach ja, und dann war es auf dem
Mariannenhof noch so, daß jeden Morgen zwei Ferienkinder ganz alleine mit zwei Ponies zum Dorfbäcker reiten durften und Brötchen für die anderen Ferienkinder kaufen durften. Eines
Morgens ritt ich mit meiner Freundin auf "Asterix" und "Obelix" zum Bäcker. Wir fanden es sehr spannend, so früh morgens, wenn die
meisten Ferienkinder noch schliefen, allein durch die Landschaft zu reiten. Man konnte auf dem Mariannenhof auch (nach vorheriger Abmeldung bei den Betreuerinnen) ins
Dorfzentrum gehen (ohne Pony oder Pferd) und einkaufen, wenn man irgendwas brauchte. Es gab dort zwar nur die Bäckerei und einen kleinen Supermarkt, aber es war trotzdem ganz nett. Naja, und wenn man sein Pony oder Pferd gut genug kannte und nach Meinung der
Betreuerinnen auch gut genug reiten konnte, durfte man die Rennbahn auch im Galopp benutzen. Vorher war es nur im Schritt und Trab erlaubt. Auf der Rennbahn preschten die Pferde los wie
verrückt (gingen aber nicht durch!), und es machte Rieeeeeesenspaß. Insgesamt hat mir der Urlaub auf dem Mariannenhof sehr gut gefallen, es war eigentlich alles
perfekt. Es war bloß schade, daß man nicht ausreiten konnte, aber dazu hat der Hof zu wenig Ausreitgelände in der näheren Umgebung. Wer also auch gerne in Hallen, auf Plätzen und
Rennbahnen reitet und ganz engen Kontakt zu seinem Pferd bekommen will, ist auf dem Mariannenhof gut aufgehoben! Soweit ich weiß, werden dort Mädchen von 5-14 Jahren
aufgenommen. Es gibt dort jedoch eine tolle Regel: Wer einmal dort war, kann immer wiederkommen! Ich bin jetzt 20 Jahre alt und habe jetzt ein Fax dahingeschickt, ob man auch
noch mit 20 "immer wieder" kommen darf. Mal sehen, was die so antworten! |